Die diesjährige Rede wurde gehalten von: Karl Würz.
Sehr geehrte Frau OB Zull,
Sehr geehrter Erster Bürgermeister Berner,
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Soltys,
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,
der von Ihnen, Frau Oberbürgermeisterin Zull und von Ihnen, Herr Erster Bürgermeister Berner vorgestellte Haushalt lässt keine allzu großen Spielräume zu. Trotzdem kommen Gemeinderat und Verwaltung nicht umhin, ihre Aufgaben zu erfüllen – und das wird nicht zum Nulltarif möglich sein.
Aber da Sie selbst, Herr Berner, die Devise ausgegeben haben, Ruhe zu bewahren und keine ruckartigen Lenkbewegungen zu machen, wollen wir gerne Ihren Rat beherzigen und ohne Panik einige Aufgaben aufzeigen, die aus der Sicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angegangen beziehungsweise weiterverfolgt werden müssen.
Zunächst einmal das Thema Wohnen
Für uns Grüne ist Wohnen und Bauen ein Spannungsfeld. Denn Wohnraum schaffen bedeutet häufig Versiegelung von Flächen.
Daher ist es für uns wichtig, wie baut man, wo baut man, für wen baut man und wie schafft man einen ökologischen Ausgleich.
Die Entscheidung, die Wohnungs- und Dienstleistungsgesellschaft Fellbach zu gründen, war richtig. Richtig ist auch die Maßnahme, alte Wohnungen auf den neuesten Stand zu bringen, wie es beispielsweise die FEWOG in der Gartenstraße macht – oder die Landesbaugenossenschaft mit ihren Wohnungen in der Hofener Straße in Oeffingen.
Nach wie vor hat für uns die Innenverdichtung Vorrang vor dem Neubau im Außenbereich. Für uns bedeutet das, nachverdichten wo immer das möglich ist, ohne das Stadtklima zu beeinträchtigen. Es müssen auf jeden Fall genügend Luftschneisen und begrünte Plätze mit Sitzmöglichkeiten in der Stadt erhalten oder geschaffen werden. Kostengünstige Möglichkeiten der Nachverdichtung sind beispielsweise der Ausbau von Dachgeschossen und, wo es geht, Aufstockung vorhandener Gebäude.
Wenn wir dem Bauen im Außenbereich zustimmen, ist eines der wichtigsten Kriterien das Allgemeinwohl. Ein gutes Beispiel dafür ist der Neubau der Feuerwehr an der Bühlstraße, dem wir ja auch zugestimmt haben.
Für uns geht es beim Bauen im Außenbereich vor allem auch darum, dass mit jedem Haus und mit jeder Straße ein Stück Freifläche versiegelt wird. Fläche, die wir dringend benötigen für den Erhalt der biologischen Vielfalt und für den Schutz des Klimas in unserer Heimatstadt.
Allerdings könnten wir beispielsweise die Dachbegrünung noch viel stärker als bislang zur Schaffung ganz besonderer Biotope nutzen und zur Speicherung von Kohlendioxid.
Es geht bei uns in Fellbach um die Schaffung von ausreichendem und sozial kostengünstigem, sprich bezahlbarem, Wohnraum.
Es geht aber auch darum, die noch vorhandenen Freiflächen auf der Gemarkung so umfassend wie möglich zu erhalten, denn auch die Landwirtschaft und der Wein- und Gartenbau sind auf ausreichend Flächen angewiesen, um nachhaltig wirtschaften zu können. Dass wir ausreichend Freiflächen für den Klima- und Artenschutz brauchen, möchte ich an dieser Stelle nochmals unterstreichen.
Und – auch das dürfen wir nicht vergessen – wir brauchen, wenn wir auf Freiflächen bauen, an anderer Stelle genügend Ausgleichsflächen.
Nicht außer Acht lassen dürfen wir beim Bauen im Außenbereich, dass wir diese Baugebiete auch erschließen müssen – und das kostet ja bekanntermaßen eine Menge Geld.
Geld, das, wie wir wissen, in den nächsten Jahren in Fellbach doch recht knapp ist.
Kommen wir zum Klima
Wenn gebaut wird, dann sollten nachhaltige Baustoffe verwendet werden, beispielsweise Holz. Hier wäre es in unseren Augen wünschenswert, dass die Stadt die Holzbauweise fördert.
Dass energiesparend gebaut werden soll, versteht sich eigentlich von selbst.
Der Aufbau eines flächendeckenden kommunalen Wärmenetzes wäre ein weiterer Baustein, um den CO2-Ausstoß in Fellbach zu reduzieren und einen großen Schritt in Richtung klimaneutrale Stadt zu gehen. Zudem gibt es – das will ich hier auch erwähnen –für den Bau von energieeffizienten Wärmenetzen Fördergelder vom Land.
An dieser Stelle möchte ich der Verwaltung ausdrücklich mein Lob aussprechen, dass sie den Mut hat, das im Frühjahr vom Gemeinderat beschlossene Grünkonzept gegen Widerstände zu verteidigen, die ihr aus Teilen der Bürgerschaft entgegenschlagen und wir möchten insbesondere Sie, Frau Soltys, ermutigen, auch weiterhin an diesem Konzept festzuhalten.
Auf bundespolitischer Ebene wird ein Klimaschutzpaket beschlossen, auch wenn es in unseren Augen noch unzureichend ist. Unsere Jugend demonstriert für mehr Klimaschutz. In Stuttgart gibt es Fahrverbote.
Und bei uns in Fellbach ist jedes Mal ein Aufschrei zu hören, wenn ein Parkplatz wegfällt, weil einige Bäume neu gepflanzt werden, um unser Stadtklima zu verbessern.
Das kann nicht sein!
Der heute vorgestellte Klimamonitoring-Bericht der Bundesregierung und der aktuellste Klimawandel-Bericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen fordern unmissverständlich die sofortige – ich betone – die sofortige! Einleitung der Klimawende – die Lage ist dramatisch!
Das städtische Grün trägt auch zum Erhalt der Artenvielfalt bei. Daher fordern wir die Verwaltung auf, die Maßnahmen zur Artenvielfalt auf innerstädtischen Flächen und im Außenbereich zu verstärken, wie wir das auch in unserem gemeinsamen Antrag mit der CDU-Fraktion fordern.
Beispielsweise durch geeignete Konzepte für Begleitgrün, Pflege und gegebenenfalls Neuanlage von Hecken und Rainen. Das Aufstellen von Bienenstöcken auf den Friedhöfen kann auch zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen.
Die Förderung des Streuobst-Anbaus ist uns ein Anliegen. Auch das haben wir in dem gemeinsamen Antrag festgehalten. Die im Haushalt veranschlagten 1.000 Euro sind keinesfalls ausreichend, um die Streuobstwiesen auch für die Zukunft zu erhalten.
Ebenfalls wichtig ist uns die Förderung von Naturgärten und die Unterstützung derjenigen, die aus ihrem Gärtle einen Naturgarten machen wollen.
Wenn wir den Haushalt anschauen, sehen wir, dass die Verwaltung knapp 650.000 Euro für die von ihr geplanten Klima- und Naturschutzmaßnahmen eingestellt hat. Wir zweifeln aber daran, dass diese Gelder für weitere – in unseren Augen notwendige – Maßnahmen reichen.
Um vor allem die Kinder und Jugendlichen, aber auch Erwachsene mit dem praktischen Natur- und Umweltschutz vertraut zu machen, bietet es sich an, einen Naturlehrpfad auf dem Kappelberg anzulegen. Vor allem auch vor dem Hintergrund, dass im Waldschlössle zukünftig ein Waldklassenzimmer geplant ist.
Wir sind froh, dass es mit dem Waldschlössle jetzt endlich vorangeht und ein in unseren Augen gutes Konzept für die Nutzung gefunden wurde. Und wir freuen uns, dass aller Voraussicht nach 2021 das Waldheim endlich wieder auf dem Kappelberg ist.
Fellbach hat im Sommer die Resolution 2030 für eine Nachhaltige Entwicklung unterschrieben und sich damit zu mehr Nachhaltigkeit in der Kommune bekannt. In unseren Augen ist der nächste Schritt, dass die Stadt Fair Trade Town wird, wie wir das schon seit 2010 wiederholt gefordert haben.
Zahlreiche andere Kommunen in unserer näheren Umgebung sind diesen Schritt schon gegangen. So zum Beispiel Schorndorf, Ludwigsburg und Marbach –Waiblingen bewirbt sich gerade.
Und nun zur Mobilität
Ein Thema von zentraler Bedeutung ist die Entwicklung moderner Mobilitätskonzepte. Das gleichberechtigte Miteinander aller Verkehrsteilnehmerinnen und Teilnehmer ist der Anspruch, den wir an moderne Mobilität haben. Dazu gehört unter anderem eine klare Verkehrsführung und genügend Platz für Rad- und Fußverkehr sowie eine bessere Beleuchtung für Fußgängerüberwege auch schon während der Dämmerung.
Ein partnerschaftliches Miteinander aller Verkehrsteilnehmer setzt gegenseitige Rücksicht und Akzeptanz voraus. Mit einer guten Stadt- und Verkehrsplanung bedienen wir Sicherheitsbedürfnisse und sorgen für Aufenthaltsqualität. Der ruhende Verkehr gehört nicht in den Straßenraum, sondern in die Tiefgaragen, die bei uns in Fellbach in aller Regel barrierefrei ausgestattet sind.
Der Sicherheit der Fußgängerinnen und Fußgänger dient es auch, wenn die Anforderungsampeln durchgängig in Betrieb sind, also nachts nicht abgeschaltet werden.
Jeder Weg beginnt und endet zu Fuß. Daher brauchen wir eine attraktive Innenstadt, in der wir uns gerne aufhalten und gerne einkaufen. Ein gelungenes Beispiel ist hier das Rathauscarré.
Menschen, die zu Fuß in der Stadt unterwegs sind, sind treue Kunden, wie wir wissen. Das schätzen die Fellbacher Geschäftsleute noch immer zu wenig. Die geplante Umgestaltung des Bereichs Cannstatter und Südliche Bahnhofstraße ist in unseren Augen ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch etwas zur nördlichen Bahnhofstraße sagen. Nach wie vor steht unsere Fraktion zu diesem Projekt. Wir verstehen auch, dass die bauliche Umsetzung noch Zeit in Anspruch nehmen wird. Aber um die Situation kurzfristig zu befrieden, schlagen wir vor, bis zum endgültigen Umbau Pflanzkübel auf dem alten Radweg aufzustellen, damit deutlich wird, dass diese Fläche jetzt Gehweg ist.
Das könnte man kurzfristig angehen.
Die jetzige Situation ist gefährlich, weil einige Radfahrerinnen und Radfahrer immer noch auf dem ehemaligen Radweg fahren. Sobald der Umbau der nördlichen Bahnhofstraße fertig ist, haben wir ein großes Stück mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität in Fellbach und eine auch für die Einzelhandelsgeschäfte attraktive Straße.
Ein flächendeckendes Tempo 30 ist aus rechtlichen Gründen derzeit noch nicht möglich. Wo es möglich und sinnvoll und auch rechtlich zulässig ist, Tempo 30 einzuführen, sollte die Stadt das auch so schnell wie möglich realisieren und ihre rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen.
Als erstes bietet sich Tempo 30 vor der Silcherschule in der Tainer Straße und dem Kinderhaus Pfiffikus in der Esslinger Straße an. Davon würden auch Kinder und Jugendliche profitieren, die das Jugendhaus und das F3 besuchen.
Es ist erfreulich, dass die Stadt den Schnellradweg nach Stuttgart ausbaut. Und natürlich wünschen wir uns noch mehr Fahrradstraßen in der Stadt und ein gut ausgeschildertes und durchgehendes Radnetz.
Was wir dringend brauchen, ist eine Informationskampagne darüber, wie die Verkehrsregeln in einer Fahrradstraße aussehen, damit es nicht zu gefährlichen Situationen kommt. Wir bitten die Verwaltung, Maßnahmen zur Reduzierung des Autoverkehrs in den Fahrradstraßen vorzuschlagen und so die Sicherheit der Radlerinnen und Radler zu verbessern.
Es bleibt noch einiges zu tun, damit Fellbach eine wirklich fahrradfreundliche Stadt wird und eine Stadt, deren Bürgerschaft im wahrsten Sinne des Wortes in Bewegung ist.
Gestatten Sie mir, dass ich an dieser Stelle ein paar Worte über die sogenannten Elterntaxis verliere. Natürlich kann es ab und zu einmal sinnvoll oder notwendig sein, ein Kind zur Schule zu fahren. Um diese Ausnahmen geht es nicht.
Zu Fuß gehen ist gesund. Dies gilt gerade auch für Kinder und Jugendliche. Dabei geht es nicht nur um die Bewegung an sich. Kinder, die zu Fuß oder mit dem Rad in die Schule kommen, entwickeln eine bessere körperliche Koordination und auch Kondition. Sie sind in der Schule aufmerksamer und entwickeln bessere Fähigkeiten, sich im Verkehr zurechtzufinden.
Wir Grüne möchten, dass „Elterntaxis“ in Fellbach zur Ausnahme werden.
Um auch den Erwachsenen mehr Bewegungsanreiz zu geben, könnte man Fitnessgeräte für junge und jung gebliebene Erwachsene an passenden Stellen platzieren – ähnlich wie an Autobahnrastplätzen.
Bewegung kommt gerade ins Parkraummanagement,
das wir Grüne schon lange fordern. Dass die Verwaltung jetzt im Komponistenviertel den Anfang macht, begrüßen wir ausdrücklich. Wir möchten die Verwaltung ermutigen, dieses Parkraummanagement auch in den beiden anderen geplanten Gebieten östliches und westliches Bahnhofsumfeld so schnell wie möglich umzusetzen.
Langfristig ist es sicher auch in anderen Gebieten erforderlich, über ein Parkraummanagement nachzudenken. Vor allem, nachdem wir auch in absehbarer Zukunft am Schwabenlandtower und rund um das Rems-Murr-Center vermutlich mit erheblich mehr parkenden Privatfahrzeugen rechnen müssen. Wir sind daher schon sehr gespannt auf das Mobilitätskonzept des Schwabenlandtowers.
Ein weiterer Baustein für ein umweltfreundliches Verkehrskonzept ist der Ausbau der Elektromobilität. Wichtig ist hier, dass vermehrt Lademöglichkeiten in Betrieben und Privathaushalten geschaffen werden.
Fellbach hat bereits öffentlich zugängliche Ladesäulen, weitere müssen aber dazu kommen. Denn ohne die Sicherheit, eine E-Tankstelle in der Nähe zu haben, werden nur wenige vom Benziner oder Diesel auf ein E-Auto umsteigen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar Sätze zum Haushalt sagen
Ich habe am Anfang meiner Rede auf den Haushalt der Stadt verwiesen und auch auf die angespannte Lage in den nächsten Jahren. Wir sind uns dessen sehr wohl bewusst. Und Sie, Herr Berner, haben uns ja auch bei Ihrer Haushaltsrede unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass Sie seitens der Stadt sparen wollen, wo es geht. Unter anderem auch am Personal.
Ganz konkret, Sie haben angekündigt, dass die Stadt in den kommenden vier Jahren pro Jahr ein Prozent der bisherigen Stellen einsparen will. Bis zum Jahr 2024 soll so die Personaldecke um 21 Personen von derzeit 537 auf dann 516 Beschäftigte reduziert werden.
Ich frage mich, wie soll das gehen?
Die Stadt will das Parkraummanagement einführen – so weit, so gut. Aber wir wissen alle, dass das nur dann wirklich funktioniert, wenn es auch kontrolliert wird. Dazu benötigen Sie Personal. Oder – ein anderes Beispiel. Wenn die Stadt aufgrund einer veränderten Sachlage weitere Erzieherinnen und Erzieher einstellen muss, sind Sie, Herr Berner, gezwungen, das Personal an anderer Stelle einzusparen, um Ihr Ziel zu erreichen. Oder nehmen Sie die geplanten Investitionstätigkeiten der nächsten Jahre. Auch dies eine Herausforderung.
Sie wollen den Personalabbau durch weitere Effizienzsteigerung auffangen, obwohl unsere Verwaltung erwiesenermaßen schon effizient arbeitet.
Bis zu einem gewissen Grad ist eine weitere Effizienzsteigerung sicherlich möglich, aber es ist zu befürchten, dass dies auf Kosten der Gesundheit der Mitarbeitenden und der Arbeitsqualität geht.
Gerade an dieser Stelle möchte ich allen Beschäftigten der Stadt unseren Dank für die im zu Ende gehenden Jahr geleistete Arbeit und ihr Engagement aussprechen.
Lassen Sie mich meine Rede schließen mit einem Zitat von Robert Habeck. Er sagt: „Der Haushalt ist ein Mittel zum Zweck. Er ist nicht ein Selbstzweck. Er ist nicht das Ziel. Das Ziel ist eine funktionierende Gesellschaft mit einer ökonomischen Basis, die Wohlstand schafft. Und Wohlstand im Sinne von zufriedenen Lebensbedingungen bedeutet eben auch Bekämpfung der Klimakrise und Erhaltung der Natur.“
Vielen Dank!