Gewerbeflächenentwicklung

von Beate Wörner

Unsere Stellungnahme zur Prognos-Studie Gewerbeflächenentwicklung, vorgetragen in der GR-Sitzung am 18. Mai

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Zull, sehr geehrte Damen und Herren,

es ist ein sehr großes Fass, das Sie mit der beabsichtigten Entwicklung neuer Gewerbeflächen aufmachen.

Mit dem Wunsch nach mehr Fläche für Industrie und Gewerbe rühren Sie an den Lebensnerv unserer Stadt. Und das in einem doppelten Sinne.

Wir alle, die wir hier sitzen, wissen, dass der viel und oft zitierte „Fellbacher Standard“ maßgeblich darauf beruht, dass vor allem die Gewerbesteuer sprudelt. Und die zahlen die vielen Unternehmen, die hier ansässig sind. Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Freizeiteinrichtungen, Feuerwehr, Vereine – sie und viele andere profitieren davon, dass wir in Fellbach seit Jahren solide Unternehmen und eine vielfältige Unternehmensstruktur haben. Die Stadt kann ihren Bürgerinnen und Bürgern was bieten.

Die Corona-Pandemie führt uns vor Augen, wie zerbrechlich das alles ist, da werden wir später am Abend sicher noch mehr dazu hören. Sinkende Gewerbesteuer-Einnahmen für den städtischen Haushalt sind eine Realität, der wir uns stellen müssen. Und zwar nicht nur in diesem, sondern auch in den nächsten Jahren.

Das ist ein Punkt. Ein anderer Punkt ist die Tatsache, dass es viele Jahre dauert, bis ein neues Gewerbegebiet entwickelt ist. Die Siemensstraße ist dafür ein Paradebeispiel. Aus diesen beiden genannten Gründen – zum einen der Einbruch bei den Gewerbesteuer-Einnahmen und zum anderen die lange Entwicklungszeit neuer Gewerbegebiete – ist es nachvollziehbar, dass die Verwaltung Vorsorge treffen will, um auch in Zukunft den nötigen finanziellen Spielraum zu haben.

Gewerbeflächen sind ein knappes Gut – nicht nur in Fellbach, sondern in der gesamten Region. Und die Begehrlichkeiten sind groß, das wissen wir auch alle. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob ausgerechnet Fellbach mit seiner kleinen Gemarkungsfläche die Kommune sein muss, die großzügig Gewerbe-Flächen auf der grünen Wiese ausweist.

Wir Grüne tun uns damit äußerst schwer.

Die Entwicklung neuer Gewerbeflächen ist ein Spannungsfeld, das ist uns sehr wohl bewusst.

Auf der einen Seite die langfristige Sicherung der städtischen Einnahmen und damit letztendlich auch der hochwertigen Infrastruktur für die Bürgerinnen und Bürger – und auf der anderen Seite die Versiegelung von Freiflächen und wertvollem Boden, auch für Parkplätze, nicht nur für Betriebe. Denn das muss uns allen klar sein – Boden ist ein nicht vermehrbares Gut, was weg ist, ist weg. Ein paar Hektar hier, ein paar Hektar da – wird schon nicht so schlimm sein, wir können das ja irgendwie mit ökologischen Maßnahmen an anderer Stelle wieder ausgleichen.

Aber – meine Damen und Herren, das kann nicht der Weg sein, den wir gehen.

Die Ausweisung von Gewerbeflächen auf der Grünen Wiese bedeutet nicht nur den unwiederbringlichen Verlust von wertvollem Boden. Mit jedem Hektar, den wir überbauen, entziehen wir der Landwirtschaft einen Hektar ihrer Existenz. Auch das sollten wir bei der Diskussion bedenken.  

Die Umwandlung von Freifläche in bebaute Fläche bedeutet auch den Eingriff in wertvolle Ökosystemdienstleistungen, die uns Natur und Umwelt zur Verfügung stellen. Tag und Nacht frische Luft, ein leichter, kühler Luftzug an heißen Sommertagen – wir nehmen das als selbstverständlich hin, aber das ist es nicht. Der Erholungswert unserer Freiflächen wird von den Bürgerinnen und Bürger hoch geschätzt. Gerade das viele Grün um Fellbach herum hat eine hohe Anziehungskraft, viele suchen genau aus diesem Grund eine Wohnung bei uns. Auch das ist ein Aspekt, den wir bei unserer Diskussion um Gewerbeflächen nicht aus den Augen verlieren dürfen.  

Angesichts des Klimawandels müssen wir unsere noch halbwegs intakte Umwelt bewahren. Und dazu gehört auch, dass wir nicht nur zehnmal darüber nachdenken, ob und wo wir neue Gewerbegebiete ausweisen, sondern auch darüber, wo wir im Innenbereich noch Potenziale haben.

Hier ist noch längst nicht alles ausgereizt, denken wir nur an das IBA 27-Gelände mit seinen Möglichkeiten. Die Internationale Bauausstellung Region Stuttgart bietet hier innovative Möglichkeiten, die wir nutzen müssen. Die möglichen zu erwartenden Hindernisse bei der Realisierung von Bestandspotenzialen dürfen uns nicht daran hindern, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um diese Potenziale auch tatsächlich auszuschöpfen.

Erst wenn dies geschehen ist – und nur dann – können wir vorsichtig in die Außenfläche gehen, die Versiegelung jedes einzelnen Hektars muss sorgfältig abgewogen werden.

Aber immer müssen wir uns die Frage stellen – Wo sind die Grenzen des Wachstums.

Wollen wir in Fellbach Wachstum um jeden Preis oder wollen wir ein nachhaltiges Wachstum, das den nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Stadt erhält? Dies ist meiner Ansicht nach die Kernfrage hier.

Vielen Dank!

Die Vorlagen der Sitzung am 18.05. findet man unter:
https://gemeinderat-online.fellbach.de/si0057.asp?__ksinr=999

Es gehr hier um:
TOP Ö3 Vorlage 095/2021 (mit einer Anlage) Kenntnisnahme des Berichtes der Prognos AG zur Gewerbeflächenstrategie 2035 der Stadt Fellbach
TOP Ö4 Vorlage 098/2021 Künftige Instrumente der Bodenpolitik in Fellbach


Schmidener Feld – beste Ackerböden, hier lebten noch im Jahre 2020 Rebhühner und Nachtigallen
Die Versiegelung hat schon begonnen. Hier soll irgendwann in den nächsten Jahren ein Gewerbegebiet entstehen. Doch schon heute gilt: Kaum asphaltiert, wird die Fläche gerne als Gratis-Parkplatz genutzt.

Zu den „Instrumenten der Bodenpolitik“ gab Karl Würz die folgende Stellungnahme ab:

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin Zull,
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Soltys,
Sehr geehrte Damen und Herren!

Mit diesem Instrumentenkasten betritt Fellbach Neuland in Sachen Bodenpolitik. Allerdings wenden bereits viele Kommunen diese Instrumente erfolgreich an – auch hier in unserer Region. Obwohl für Fellbach neu, handelt es sich doch um ein erprobtes Instrumentarium, das für die Stadtentwicklung Chancen bietet.

Die neuen Instrumente, speziell das Ankaufmodell, geben der Stadt die Möglichkeit, ein Gebiet erst zu entwickeln, wenn eine einheitliche Planung für das gesamte Gebiet möglich ist. Und zwar eine Planung, die sozial und ökologisch nachhaltig und auf das Gemeinwohl ausgerichtet ist. Das gilt für Gewerbegebiete und Wohngebiete. Vor allem in dicht besiedelten Regionen wie unserer könnte sich hier auch eine Chance ergeben, der Grundstücksspekulation zwar nicht den Riegel vorzuschieben, aber doch den seit Jahren ungehemmten Anstieg der Bodenpreise etwas zu dämpfen.

Auch für die Innenentwicklung bietet das neue Instrumentarium die Möglichkeit, potenzielle Flächen besser und schneller als bislang zu nutzen – entweder für Wohnen oder auch für entsprechendes Gewerbe.

Unsere Fraktion begrüßt die neuen Instrumente der Bodenpolitik.

Stichwort Innenentwicklung: Satzungsvorkaufsrecht

Gibt der Stadt endlich die Möglichkeit, ein Gebiet erst zu entwickeln, wenn nachhaltige, ökologiegerechte, auf das Gemeinwohl ausgerichtete einheitliche Planung möglich ist.

Wir wünschen uns diese Instrumente für alle zu entwickelnden Gebiete, auch für den Wohnungsbau und für die Innenentwicklung.

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